Nullrunde beim Bürgergeld: Was das für über 7 Millionen Betroffene bedeutet
Bürgergeld: Droht 2026 eine weitere Nullrunde?
Von Oliver G für RNL1 | 26. August 2025 | Politik & Soziales
Millionen Menschen in Deutschland, die auf Bürgergeld oder andere Formen der Grundsicherung angewiesen sind, könnten 2026 erneut leer ausgehen. Laut aktuellen Berechnungen des Paritätischen Gesamtverbands droht eine weitere sogenannte „Nullrunde“ – also keine Erhöhung der monatlichen Leistungen. Das bedeutet: Die Preise steigen, aber die Unterstützung bleibt gleich. Für viele heißt das: weniger Geld im Portemonnaie und ein weiterer Verlust an Kaufkraft.
Was bedeutet „Nullrunde“?
Die Regelbedarfe – also der monatliche Betrag, den Leistungsberechtigte für Lebenshaltungskosten erhalten – werden jedes Jahr angepasst. Grundlage dafür sind die Entwicklungen bei Preisen und Löhnen. Doch die aktuellen Daten zeigen: Ohne eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen bleibt der Betrag 2026 auf dem Niveau von 2025. Das betrifft über sieben Millionen Menschen, darunter Empfänger*innen von Bürgergeld, Sozialhilfe, Grundsicherung im Alter und sogenannte Analogleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Auch die Schulbedarfe im Bildungs- und Teilhabepaket sind betroffen, da sie direkt an die Regelbedarfe gekoppelt sind. Steigen die Preise – etwa für Schulmaterial – aber nicht die Leistungen, wird es für viele Familien noch schwieriger, ihre Kinder angemessen auszustatten.
Was müsste passieren?
Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag angekündigt, den Anpassungsmechanismus wieder auf den Stand vor der Corona-Pandemie zurückzuführen. Das würde bedeuten: Die Regelbedarfe würden nach einem Mischindex aus Preis- und Lohnentwicklung berechnet. Würde diese Änderung noch rechtzeitig umgesetzt, könnten die Leistungen 2026 um 2,2 % steigen. Für eine alleinlebende Person wären das 575 Euro statt 563 Euro – also 12 Euro mehr im Monat.
Kritik vom Paritätischen
Der Paritätische widerspricht der Einschätzung, dass die bisherigen Erhöhungen zu hoch ausgefallen seien. Im Gegenteil: Die Organisation weist darauf hin, dass die aktuelle Berechnungsformel die Preisentwicklung – besonders bei Energie und Lebensmitteln – nicht ausreichend berücksichtigt. So stieg der Regelbedarf 2022 nur um 0,76 %, obwohl die Inflation deutlich höher lag.
Zwischen 2021 und Ende 2023 haben Menschen in der Grundsicherung laut dem Verband massive Kaufkraftverluste erlitten. Die Erhöhungen in den Jahren 2023 und 2024 seien lediglich ein Nachholen – kein echter Zugewinn.
Armutsrisiko bleibt hoch
Laut Statistischem Bundesamt liegt die Armutsrisikoschwelle für einen Single-Haushalt bei 1.381 Euro pro Monat. Der durchschnittliche Bedarf im Bürgergeld – inklusive Miete und Heizkosten – lag 2024 bei 1.007 Euro. Das bedeutet: Eine Lücke von über 350 Euro. Die Leistungen reichen also nicht aus, um Armut zu verhindern.
Eine Studie der Initiative „Sanktionsfrei“ zeigt zudem, wie schwierig das Leben mit Bürgergeld tatsächlich ist. Drei Viertel der Befragten gaben an, dass das Geld nicht für ein würdevolles Leben reicht. Über die Hälfte der Eltern verzichtet beim Essen zugunsten ihrer Kinder.
Vorschlag: 813 Euro Regelbedarf
Der Paritätische hat eine eigene Berechnung vorgelegt. Darin wird eine sachgerechte Referenzgruppe verwendet und auf willkürliche Kürzungen verzichtet. Ergebnis: Ein Regelbedarf von 813 Euro für eine alleinlebende erwachsene Person wäre aus Sicht des Verbands angemessen und würde Armut wirksam vermeiden.
Fazit
Die drohende Nullrunde ist mehr als eine technische Frage der Berechnung – sie betrifft das Leben von Millionen Menschen. Ohne eine gesetzliche Änderung bleibt die Unterstützung 2026 auf dem Stand von 2025, während die Preise weiter steigen. Der Paritätische fordert ein Umdenken und eine faire Anpassung der Leistungen. Denn Grundsicherung soll nicht nur das Überleben sichern – sondern ein Leben in Würde ermöglichen.
Fortschreibung der Regelbedarfe 2026 – Erläuterung
Die Fortschreibung der Regelbedarfe für Grundsicherungsleistungen erfolgt gemäß § 28a SGB XII und basiert auf zwei Faktoren:
- der regelbedarfsspezifischen Preisentwicklung
- der Entwicklung der Nettolöhne
Die Paritätische Forschungsstelle hat die vorliegenden Daten ausgewertet. Eine offizielle Verordnung des BMAS für 2026 liegt noch nicht vor.
Das Verfahren kombiniert die Daten in einem gesetzlich festgelegten mathematischen Modell. Seit der Bürgergeldreform wurde eine ergänzende Fortschreibung eingeführt, um Preisentwicklungen zeitnah zu berücksichtigen.
Wichtig: Ausgangspunkt der Berechnung sind die nicht gerundeten Eurobeträge aus der Fortschreibung des Vorjahres – nicht die aktuell gezahlten Regelbedarfe. Für eine alleinstehende Person beträgt dieser Wert 535,50 €.
Gründe für die Differenz zum aktuellen Regelbedarf von 563 €:
- Die ergänzende Fortschreibung aus dem Vorjahr wird nicht mitgerechnet
- Die Bestandschutzklausel (§28a Abs. 5 SGB XII) bleibt unberücksichtigt
Berechnungsschritte:
- Fortschreibung mit dem Mischindex (70 % Preisentwicklung, 30 % Lohnentwicklung): +2,2 %
- Kombination mit ergänzender Fortschreibung (Preisvergleich Q2 Vorjahr zu Q2 laufendes Jahr): +1,8 %
Ergebnis: 557 € für Regelbedarfsstufe 1 – unterhalb des aktuellen Werts von 563 €. Aufgrund der Bestandschutzklausel bleibt der Betrag unverändert.
Fazit: Es kommt zu einer Nullrunde, obwohl die Preise weiter steigen – die Regelbedarfe werden nicht angepasst.
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Die mögliche Nullrunde beim Bürgergeld betrifft Millionen Menschen – was denkst du darüber? Teile deine Meinung, stelle Fragen oder berichte von deinen Erfahrungen in den Kommentaren. Deine Stimme zählt!